Manuelle Lymphdrainage - ein Grundpfeiler der komplexen physikalischen Entstauungstherapie (KPE)

Die Manuelle Lymphdrainage (MLD) durch Dr. Vodder, einem der "Gründerväter", bereits 1936 angewandt, hat lange Zeit ein Schattendasein geführt, bis ihre Wirkungsweise und Wirksamkeit wissenschaftlich fundiert nachgewiesen werden konnten. Die speziellen Griffe der MLD bewirken sowohl eine Erhöhung der Transportkapazität des Lymphgefäßsystems, als auch eine Verschiebung zwischenzellulärer Flüssigkeit von der Körperperipherie in zentrale Stromgebiete. Beides führt zusammen mit der unverzichtbaren Kompressionsbandagierung/-bestrumpfung zu einer Ödemverminderung.

Symptome einer Ödembildung

  • Zunahme des Volumens (Spannungsgefühl)
  • Eindrückbarkeit und Dellenbildung (je eiweißreicher umso deutlicher =>Hautfaltentest an den Zehen = Stemmersche Zeichen)
  • Lageabhängigkeit (bei Hochlagerung Ödemverminderung)
  • Hautbeschaffenheit/-veränderungen (Flecken, bräunliche Färbung)
  • Schmerz

Ursachen für Ödementstehung

  • zu hoher Druck im venösen System (Venenschwäche, Herzschwäche)
  • erhöhte Durchlässigkeit der Blutkapillarwände (nach Verletzung, OP, Allergie)
  • Leber-/ Nieren-/ Darmerkrankungen
  • Abflussstörung im Lymphgefäßsystem z.B. nach einer Krebs OP
  • Andere Ursachen :
    • hormonelles Ödem
    • Schwangerschaftsödem
    • Medikamente
    • Fette (Lipödem)

Zwei Arten von Ödemen

  1. Genannt primäres Lymphödem:
    Ursache der Ödembildung ist eine Entwicklungsstörung, d.h. eine Fehlanlage bzw. Minderanlage von Lymphgefäßen oder/und Lymphknoten mit der Folge der verrminderten Transportkapazität
  2. Genannt sekundäres Lymphödem:
    eine Schädigung (z.B. durch OP) des ursprünglich völlig intakten Lymphgefäßsystems mit der Folge einer bleibenden Abflussbarriere (z.B. Narbe, Strahlungsschäden) erzeugt die Stauung. Die mit der Schädigung einhergehende Narbenbildung verhindert dabei eine Regeneration der Lymphgefäße.

Griffcharakteristik der MLD

  • Druckstärke: Sanfte Griffe mit wenig Druck, da die Lymphgefäße direkt unter der Haut liegen. Möglichst viel Hautverformung um durch Zug- und Dehnreize die Eigenmotorik der LG anzuregen und viel zwischenzelluläre Flüssigkeit zu verschieben. Je fester das Ödem umso langsamer und fester werden die Griffe.
  • Viele Griffe werden kreisförmig ausgeführt mit Druck- und Nichtdruckphase.
  • Die Grifffrequenz ist relativ niedrig (5-7-mal), auf den Lymphknoten werden sie öfter ausgeführt, um die Lymphknoten optimal zu entleeren.
  • Der Behandlungsaufbau ist vom Körperstamm zu den   Extremitäten (man fängt generell mit der Basisbehandlung am Hals an), die Griffrichtung ist jedoch von den Extremitäten zum Körperstamm (in die Richtung, in die Ödemflüssigkeit verschoben werden soll).

Wirkungsweise der MLD

  1. Gewebsflüssigkeit
    • Entstauung durch Steigerung der Lymphtransportfähigkeit
    • Durch Verteilung des Ödems Erschließung einer größeren
      Resorptionsfläche
      Lockerung/Lösung von Gewebsflüssigkeiten
  2. Muskulatur
    • Über das vegetative Nervensystem wird der Parasympathikus angesprochen, d.h. der  Patient entspannt sich
    • Schmerzlinderung
  3. Nervensystem
    • Über das vegetative Nervensystem wird der Parasympathikus angesprochen, d.h. der  Patient entspannt sich
    • Schmerzlinderung
  4. Immunsystem
    • Beeinflussung der Vorgänge in den Lymphknoten
    • Verbesserter Abtransport schädlicher Substanzen aus dem Bindegewebe
  5. Kompressionsbandagierung/ -bestrumpfung
    Sehr wichtig für die Wirksamkeit der MLD ist die konsequente Kompressionsbestrumpfung /-bandagierung.
    • Wirkungsweise der Kompression:
    1. Minderung der Menge an Wasser, die im Kapillargebiet ins Gewebe abgepresst wird.
    2. Steigerung der Wassermenge, die vom venösen System wieder aufgenommen wird.
    3. Drücken des Ödems von distal (= von der Körpermitte oder einem Organ weiter entfernt gelegen) nach proximal (= zur Körpermitte gelegen).
    4. Erschließung größerer Aufnahmeflächen durch Verdrängung/Verteilung.
    5. Strömungsbeschleunigung durch Verminderung des Durchschnitts der Gefäße.
    6. Optimierung der Muskel-/Gelenkpumpe (Wichtig: Anleitung zu Bewegungsübungen unter Kompression). Durch Muskelarbeit wird die Gewebsflüssigkeit zum Körperstamm hin verschoben

Kontraindikationen für MLD

  • bösartige Tumorgeschehen vor Abschluss der ärztlichen Primärtherapie
  • Akute Infekte
  • Pilzinfektionen
  • Mit Einschränkung: Herzschwäche
  • Ausgeprägt niedriger Blutdruck
  • Akute Thrombosierung
  • Ungeklärte Hautveränderungen

Anwendungsgebiete der MLD

  • Traumatologie
    • Schwellungen nach Verletzungen oder Operationen
    • Manuelle Wund-/Narben- und Hämatombehandlung
  • Morbus Sudeck
  • Rheumatisch bedingte Schwellungen
  • Venöse Abflussstörungen (CVI , PTS , Varikose )
  • Primäre Lymphödeme (87% der Betroffenen sind Frauen, nur 13% Männer)
  • Sekundäre Lymphödeme: meist durch Krebsleiden verursacht
  • Schwangerschaftsödeme
  • Lipödeme
  • Ödeme mit zentralnervöser Ursache: SHT, MS
  • Verschiedene Kopfschmerzsyndrome : Migräne
  • Dermatologie: Sklerodermie, Narbenbehandlung
  • PAVK
  • Obstipation
  • Regenerationsbehandlung bei sportlicher Ausdauerleistung

Wichtig für den Erfolg der Lymphdrainage ist der rechtzeitige Beginn der Behandlung.

Ist ein Ödem erst einmal fest und eiweißreich geworden, braucht es sehr viel Zeit und Mühe, eine sichtbare Entstauung zu erzielen. Unabdingbar für die MLD ist eine gut sitzende Kompressionsbandagierung/ -bestrumpfung mit der richtigen Kompressionsklasse. Problematisch ist hierbei den Patienten klar zu machen, dass die Kompressionsstrümpfe täglich und vom Aufstehen bis zum zu Bett gehen getragen werden müssen, um eine Ödembildung zu verhindern.

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© Ingrid Schützmeier-Schoo
(Physiotherapeutin, Lymphdrainage- und Ödemtherapeutin )