Cross-Therapie

Es ist aus Sicht eines Physiotherapeuten eine seltsam-erstaunliche Geschichte:

Da sitzt im kleinen Städtchen Bückeburg bei Minden eine (trotz ihres Alters) überaus agile Physiotherapeutin, die sich seit Jahrzehnten mit dem Thema "Beckenschiefstand", "Beckenverwringung" und ihren Folgen befasst. In ihrem Institut hat sie tausende "Fälle" untersucht, dokumentiert, vermessen, Röntgenvergleiche dokumentiert usw. - im Grunde ein erstaunlich großes Archiv angelegt, das die Folgen von Beckenfehlstellungen dokumentiert - und kaum jemand nimmt Notiz davon

Auf Grund ihrer umfangreichen Untersuchungen hat besagte Physiotherapeutin - ihr Name ist Lilo Cross - ein sehr fundiertes, funktionelles Konzept entwickelt, um Beckenfehlstellungen zu erkennen, die daraus entstehenden Folgen für die Körperstatik festzustellen, soweit möglich die Beckenfehlstellung zu korrigieren und den Körper aus den alten Fehlhaltungsmustern heraus in ein korrigiertes Muster hinein zu bahnen ( - jedem Interessierten sei das Buch von Lilo Cross: "Die Cross-Methode" empfohlen).

Die Grundidee ist es festzustellen, ob eine Fehlstellung der Beckenschaufeln besteht und ob dieses Ursache sein kann für eine funktionelle Beinlängendifferenz (im Gegensatz zur anatomischen Beinlängendifferenz, bei der tatsächlich ein Knochen kürzer oder der Oberschenkelhals verändert ist).

Da ein Teil der Beckenschaufel die Hüftgelenkspfanne bildet, verändert sich die Stellung des Hüftgelenkes und die Beinachse. Somit verändert sich die Belastung des ganzen Beines; gerade die Belastung des funktionell längeren Beines nimmt in Hüfte und Knie deutlich zu, da diese eine deutlich längere Belastungsphase mit mehr Druck erleben, als die "kürzere" Seite.

Auf der kürzeren Seite sehen wir häufig eine deutliche Fehlbelastung des oberen Sprunggelenkes und vermehrte Achillessehnenprobleme.

Ischiasprobleme sind häufiger auf der kürzeren Beinseite zu finden, Probleme des Kreuz-Darmbein-Gelenkes äußern sich unterschiedlich, folgen aber einem bestimmten Belastungsmuster.

Die Schwere oder Deutlichkeit der Auswirkungen ist abhängig vom Grad der Fehlstellung der Beckenschaufeln aber auch von der Stellung des Kreuzbeines.
Ausschlaggebend ist auch nicht nur das Ausmaß einer Beinlängendifferenz, sondern auch die damit verbundene Fehlstellung der Beinachsen.

Die Auswirkungen auf die Wirbelsäule (WS) sind natürlich enorm.
Steht das Becken schief, ergibt sich immer eine seitliche Verkrümmung der WS. Besonders der 5. Lendenwirbel (L5) kippt immer in Richtung der tiefen Seite des Beckens. Dieses ist biomechanisch immer mit einer leichten Rotation verbunden. Die Folge ist häufig eine Verengung des Nervenaustrittsloches für L5 und ein starker Zug durch die extrem festen Bänder vom Becken zum Wirbelkörper und den Bandscheiben L4 und L5.

Die "Gegenkompensation" der WS Richtung kopfwärts fällt oft ganz unterschiedlich aus.

Bei deutlichen Beckenfehlstellungen finden wir sehr häufig Fehlstellungen im Kiefergelenksbereich, eine Atlasfehlstellung (Atlas = oberster Halswirbel) mit funktionellen Einschränkungen der Kopf- und Halsbeweglichkeit. Häufige Folgen sind Spannungskopfschmerzen, Ohrengeräusche; Kieferknacken, Blockaden im BWS- und HWS- Bereich u.v.m..

Ein Mensch ist wohl nie 100%ig symmetrisch, und er wird keine Probleme haben, solange er Dysbalancen gut ausgleichen oder kompensieren kann. Klappt die Kompensation aus irgendwelchen Gründen nicht mehr, wird diese "De-zentrierung" zum Problem.

Durch unsere Therapie versuchen wir diese "De-zentrierung" zu beheben, um die Funktionalität der Gelenke und der Gliederkette der Wirbelsäule wieder zu erlangen.
Das bedeutet, dass sie wieder zentriert arbeiten und dadurch beweglicher und belastbar werden.

Denn sobald ein Gelenk nicht zentriert arbeiten kann, wird es fehlbelastet und auf Dauer geschädigt.

Deshalb ist uns die "Korrektur" des Beckens und damit die Zentrierung der eigentlichen Mitte unseres Körpers so wichtig.

Es erfordert viel Erfahrung, know-how, bio-mechanisches und vor allem funktionelles Verständnis, um die ganzen Funktionsfolgeketten einer Beckenfehlstellung zu verstehen und diese gegebenenfalls zu korrigieren. Das ist nicht mit "einmal Einrenken und fertig" getan, da die meisten Beckenfehlstellungen schon seit langer Zeit bestehen und sich Bindegewebe (Bänder, Kapseln, Fascien etc.) und Muskulatur entsprechend falsch "umgebildet" haben.

Das heißt: Nach erfolgter Korrektur muss eine "Re-organisation" von Bindegewebe und Muskulatur erfolgen, um nicht, wie es so häufig nach "Einrenken" alter Fehlstellungen von ISG oder auch Wirbeln passiert, ganz schnell wieder in die alten Fehlstellungen zurück zu fallen. Dafür gibt es ganz spezielle Übungen, die Sie von uns erlernen und über längere Zeit eigenständig durchführen müssen. Denn die "Re-organisation" müssen Sie selbst bewerkstelligen.

In diesem Zusammenhang 3 Anmerkungen:

  • Besonders wenn bei Ihnen immer wieder die Hals- oder Brustwirbelsäule eingerenkt werden muss (…muss sie wirklich??? Therapeuten hören es gerne knacken!!!): Die Ursache kann eine Verdrehung der Wirbelsäule auf Grund eines Beckenschiefstandes sein!!!
  • Bitte prüfen Sie, wenn jemand Ihnen eine "Schuherhöhung" verschreibt, immer, ob Sie eine funktionelle (schiefes Becken) oder eine anatomische (unterschiedlich lange Beinknochen) Beinlängendifferenz haben. Die funktionelle Beinlängendifferenz darf nicht mit einer Schuherhöhung ausgeglichen werden!!!!!

  • Ob bei Kieferproblemen eine "Beckenbeteiligung" vorliegt, lässt sich mit zwei einfachen Tests ermitteln.

Der Text gibt nur eine grobe Rasterung wieder. Welche Auswirkungen genau eine Beckenfehlstellung bei jemandem hat, untersuche ich hier sehr genau.
Die Untersuchung beinhaltet in der Regel das Vermessen des Beckens mit dem von Frau Cross entwickelten Messgerät (Acromiopelvimeter), die Untersuchung der Fußabdrücke auf dem Podoskop (so können die Patienten selbst die Belastung ihrer Fußsohlen sehen) und mittels "manueller" Untersuchungstechniken und einer Funktionsanalyse.

Ich bin zur Zeit der einzige Therapeut in Ostfriesland, der mit dieser Methode arbeitet (Stand: Mai 2010).

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©Klaus Schoo